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Soziales


Gut gelesen: Aktion zum "Tag des weißen Stocks"


15.10.2000 * (
FJH)
Jennifer und Andrea lesen abwechselnd aus "Ronja Räbertochter" vor. Man merkt dabei kaum einen Unterschied. Doch während Andrea die Geschichte aus einem "normalen" Buch vorliest, ertastet Jennifer die Buchstaben mit ihren Fingern. Lesungen in der nach dem französischen Blindenlehrer Louis Braille benannten Tastschrift standen in diesem Jahr auf dem Aktionsprogramm des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) zum "Tag des weißen Stocks".
Seit 1964 machen die Blinden an diesem Tag die Öffentlichkeit auf ihre besonderen Belange aufmerksam. Unter dem Motto "6 Richtige" hat der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) in diesem Jahr die Blindenschrift in den Mittelpunkt eines bundesweiten Aktionstages gerückt. Neben dem Vorlesen stellten Annette Bach udn Wi9lhelm Gericke von der DVBS-Bezirksgruppe Hessen-Thüringen auch zahlreiche Utensiilien vor, die Blinde zum Schreiben oder zur Gestaltung von Alltag und Freizeit verwenden: Kalender und Spielkarten in Punktschrift, Gesellschaftsspiele mit Brailleschriftmarkierungen und die "Marburger Bogenmaschine" konnte jeder Besuche selbst einmal - auf Wunsch auch unter einer undurchschaubaren Brille - in die Hand nehmen und befingern. Außerdem führte Willi Gericke auch einen Computer mit Braillezeile vor, mit der die Zeichen auf dem Computerbildschirm elektronishc in Brailleschrift umgesetz werden.
Trotz mangelhafter Ankündigung und dem gleichzeitig in Marburg stattfindenden Elisabethmarkt waren am Sonntagvormittag doch gut 50 Besucher ins Cafe Viehmeier an der Bahnhofstraße gekommen, die die Vorführungen mit Interesse verfolgten.
Mit einer kleinen Metalltafel, die leicht in jeder Westentasche aufbewahrt werden kann, schreiben viele Blinde ihre Notizen auf. Sie stechen mit einem spitzen Stift in vorgestanzte Löcher hinein, wodurch auf der Rückseite die Schriftzeichen des Braille-Alphabets entstehen. Da dies spiegelverkehrt geschehen muss, erfordert diese Schreibart volle Konzentration.
Wesentlich einfacher ist die Bedienung der "Marburger Bogenmaschine". Das schwere Schreibgerät geht auf die von dem Ingenieur Picht in Leipzig erfundene Blinden-Schreibmaschine "Erika" zurück, die für jeden der sechs Punkte im Braile-Schriftsystem eine Taste, eine weitere als Leertaste und noch eine weitere Taste für die Zeilenschaltung enthält.
Eine verkleinerte Version - von den Benutzern salopp "Butterdose" genannt - stanzt die Brailleschriftzeichen nicht in DIN-A4-Karton, sondern lediglich auf ein schmales Papierband. Viele Marburger Studierende werden diese "Butterdosen" von blinden Komillitonen her kennen, die damit in den Vorlesungen ihre Aufzeichnungen machen.
[Eine Hand ertastet die Schrift auf einer Braillezeile: 29kb]
Finger ertasten die Punktschrift auf der Braillezeile.

6 Richtige: "Tag des weißen Stocks" am 15. Oktober


13.10.2000 * (
FJH)
Am 15. Oktober begehen die Blindenorganisationen in aller Welt den "Tag des weißen Stocks". Der w weiße Stock ist nicht nur das offizielle Erkennungszeichen der Blinden; mit ihm ertasten sie auch Hindernisse, Stufen und Unebenheiten auf ihrem Weg. Ebenso ertasten Blinde auch ihre Schrift, die nach dem französsischen Blindenlehrer Louis Braille benannt ist.
Zum diesjährigen "Tag des weißen Stocks" wendet der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) in Bonn die Aufmerksamkeit der Mitmenschen auf die Brailleschrift. In verschiedenen Städten Deutschlands sollen Lesungen mit Hilfe dieser Tastschrift stattfinden; außerdem wird gezeigt, wie Blinde die Punkte in das Papier hineinstoßen, die dann die Schriftzeichen darstellen.
In Marburg wird diese Vorführung unter dem Titel "6 Richtige" am Sonntag (15. Oktober) von 11 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 17 Uhr im Cafe Viehmeier an der Bahnhofstraße stattfinden. Die Bezirksgruppe Hessen-Thüringen des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) informiert dabei auch über die Bedrohung der Brailleschrift durch staatliche Sparmaßnahmen.
Immer weniger Geld steht den deutschen Blindenschriftbüchereien und Brailleschriftverlagen zur Verfügung. Zeitschriften mussten bereits eingestellt, das Produktionsprogramm für Bücher eingeschränkt werden. Geld für Korrektoren wurde ebenfalls gestrichen, sodass viele Brailleschriftproduktionen fehlerhaft an ihre Leserschaft gelangen.
Der DVBS beführchtet deswegen zunehmende Schwierigkeiten junger Blinder beim Erwerb der behindertenspezifischen Schlüsselqualifikationen im Umgang mit der Brailleschrift: Lese- und Rechtschreibschwächen würden durch derartige Sparmaßnahmen geradezu vorprogrammiert, erklärt DVBS-Geschäftsführer Andreas Bethke. Blinden werde damit eine Qualifikationsmöglichkeit weitgehend vorenthalten, die Sehenden nach wie vor zur Verfügung steht. Sie sei für Blinde aber noch wichtiger als für Sehende, die neben der Schrift auf mehr zusätzliche Kommunikationsstränge zurückgreifen können als Menschen mit Sehbehinderungen.
Neben dem Radio, Hörbüchern auf Toncassette oder CD und sprechenden Computern sind Bücher und Zeitschriften in Brailleschrift nach wie vor unerläßliche Informationsquellen und Bildungsvermittler für Blinde. Auch Computer übermitteln ihre bildschirminhalte mit Hilfe sogenannter "Braillezeilen" in der tastbaren Punktschrift.
Die Blindenschrift wurde 1825 von Louis Braille entwickelt, der beim Spielen in der elterlichen Schusterwerkstatt das Augenlicht verloren hatte, weil er sich als Sechsjähriger mit einer Schusterahle in sein einziges sehendes Auge gestochen hatte. Braille griff auf eine Geheimschrift des französischen Militärs zurück, mit der die Armee bei Nacht Befehle im feld übermittelte. Die Soldaten stanzten Punkte in Form der lateinischen Buchstaben in Karton, um ihre Kameraden beim Lesen der Depeschen im Dunkeln nicht durch verräterisches Licht zu gefährden. Braille vereinfachte diese Schrift, indem er alle Buchstaben aus unterschiedlichen Kombinationen von nur sechs Punkten zusammensetzte.
In zwei nebeneinanderstehenden Reihen sind je drei Punkte untereinander angeordnet. Sie stellen buchstaben und Zahlen, Satz und Sonderzeichen sowie verschiedene Kürzungen für häufig vorkommende Lautgruppen, Wortendungen und sogar ganze Wortstämme dar.
Mit seinen Fingern fährt der blinde Leser über das kartonstarke Papier und ertastet die Anordnung der Punkte darauf. Erhaben sind diese Punkte, weil sie mit kleinen Nadeln von der Rückseite her in den Karton hineingestoßen worden sind.
Braillezeilen stellen die Tastschrift am Computer dar, indem sich kleine Metallstifte elektromagnetisch aus einer Tastleiste herausheben oder darin versinken.
Seit 175 Jahren ist Braille der Name für die einzige weltumspannende Schrift, die auch in asiatischen Ländern, dem arabischen Sprachraum und Osteuropa genauso "aussieht" wie dort, wo die lateinischen Schriftzeichen vorherrschen. Für die rund 700.000 Blinden und Sehbehinderten in Deutschland ist das Wort "Braille" ein Synonym für Selbständigkeit und Kompetenz, da viele von ihnen mit Hilfe dieser Schrift lesen und schreiben, Etiketten oder Gegenstände markieren, Notizen aufzeichnen und Mitteilungen untereinander austauschen. Deshalb lautet das Motto zum "Tag des weißen Stocks" 2000 folgerichtig: "Sechs Richtige"!


03.09.2000 * BiGuB mobil: Sponsoren ermöglichen Kauf eines Kleinbusses


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