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Soziales


Berber-Fest: Der Weihnachtsmann arbeitet im Sozialamt


20.12.2000 * (
FJH)
"Christus ist unser Frieden" steht auf dem Plakat an der Bürotür im Marburger Sozialamt. Die Wände des kleinen Dienstzimmers sind mit Ansichtskarten beklebt, die Nichtseßhafte dem Beamten von ihren Touren geschickt haben. Etwa 250 Postkarten belegen ein gutes Verhältnis zwischen den "Berbern" und ihrem Ansprechpartner in der Verwaltung.
Während der Dienststunden stehen die Obdachlosen bei Günter Lenge im Marburger Sozialamt Schlange. Der Beamte zahlt ihnen den Tagessatz von 18 DM Hilfe zum Lebensunterhalt aus oder kümmert sich um den Ersatz verlorengegangener Papiere. Seit 14 Jahren ist der 61-jährige für die Nichtseßhaften zuständig.
Auch an den Weihnachtstagen vergißt Lenge seine "Berber" nicht. Mit Geldern des Sozialamtes sowie Spenden, die er bei Geschäftsleuten, Privatpersonen, dem Bibelkreis und einem Kulturtreff einsammelt, führt der Beamte in seiner Freizeit für die Obdachlosen eine Weihnachtsfeier durch. Oft legt Lenge neben der Arbeit auch noch eigenes Geld drauf.
Am 24. Dezember beginnt um 22 Uhr die Weihnachtsfeier in der städtischen Übernachtungsstelle. Lenge erwartet etwa 15 Personen. Für sie hat Lenges Lebensgefährtin ein Abendessen vorbereitet. Anschließend erhält jeder ein kleines Geschenk: Warme Unterwäsche, einen Schal, Tabak und Blättchen sowie ein Glas Pulverkaffee.
Am vierten Adventssonntag hat Lenge 15 Päckchen verpackt. Die Tage vor Weihnachten verbringt er mit letzten Einkäufen für die Verpflegung der Obdachlosen, weil ihre üblichen Anlaufstellen zwischen den Jahren geschlossen bleiben.
Was geschieht, wenn am Heiligen Abend mehr als 15 Gäste den Weg in die Übernachtungsstelle gefunden haben? "Dass haben wir auch schon erlebt", berichtet Lenge. "Dann sind meine Berber durchaus zum Teilen fähig!"
Im normalen Arbeitsalltag muß Lenge auch einmal hart bleiben, wenn jemand ungerechtfertigte Ansprüche erhebt. An den Weihnachtstagen hingegen hat auch er Zeit, die oft über Jahre hinweg gewachsene Bekanntschaft mit den "Berbern", wie sie selbst sich bezeichnen, ausgiebig zu pflegen.
"Die Menschen kommen nicht ohne Grund in diese Situation", bemerkt der Beamte. Manche Nichtseßhaften seien ihm im Laufe der Jahre regelrecht ans Herz gewachsen. "Bei der Weihnachtsfeier tauen einige dann auf und erzählen, wie sie in ihre heutige Lage hineingeraten sind."
Drei "Berber" hat Lenge inzwischen schon von der Straße heruntergeholt. Einer wohnt in einem Seniorenheim, zwei haben eigene Wohnungen bezogen. Einer arbeitet seit zehn Jahren in einem Handwerksbetrieb. Für sie gehört Günter Lenge heute schon fast zur Familie.
Daß ein Beamter sich über seine Dienstpflichten hinaus engagiert, scheint heutzutage fast unglaublich. Sein Engagement begründet Günter Lenge mit seiner christlichen Überzeugung: "Als ich die Verantwortung für die Nichtseßhaften übernommen habe, da habe ich überlegt, wie ich diese Aufgabe ausfüllen kann. Mir fiel das Bibelwort ein: Was Ihr dem geringsten meiner Brüder angetan habt, das habt Ihr mir getan!"


16.11.2000 * Abenteuer Blindenschule: Von Marburg nach Lhasa


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