in Partnerschaft mit
22.02.2001 * (lcm)
Eine Frau glaubt, ihren Peiniger und Vergewaltiger in ihrem eigenen Haus wiedergetroffen zu haben. Jetzt will sie Rache.
Das Stück "Der Tod und das Mädchen" von Ariel Dorfmann packt den Zuschauer sofort. Das Theater Gegenstand präsentierte es am Mittwoch (21.Februar) in der Inszenierung von Wilhelm Manske. Das kleine Theater in der Waggonghalle war ausverkauft. Am Schluß spendete das Publikum den drei Schauspielern eine Menge Beifall, obgleich das Thema eher nachdenklich stimmt und keine Euphorie aufkommen lässt. Doch die Leistungen der Schauspieler sind das Beeindruckende an diese Inszenierung.
"Der Tod und das Mädchen" spielt in Chile nach dem Ende der Pinochet-Diktatur. Durch schongungslose Offenlegung der Konflikte zwischen Rache und Rech problematisiert es den Umgang mit "Folterknechten".
Gerardo (Nisse Kreysing) ist soeben zum Mitglied einer Komission ernannt worden, die sich mit der Aufklärung von Verbrechen unter der Diktatur beschäftigt. Paulina, seine Frau (Stefanie Kuznik), wurde während des faschistischen Regimes entführt und mehrere Wochen festgehalten, gefoltert und gequält.
Durch einen Zufall kommt Doktor Miranda (Matt Dressler) in das Haus des Paares. Paulina glaubt, in ihm einen ihrer Peiniger wiederzuerkennen und will ihn töten. Doch weiß sie nicht sicher, ob er der Folterer ist, da ihr während der Gefangenschaft die Augen verbunden waren. Gerardo will, daß sie den Doktor frei läßt, um ihn der Justiz auszuliefern. Während der Doktor gefesselt am Küchentisch sitzt, tragen Gerardo und Paulina einen verbalen Streit um Gerechtigkeit und die gerechte Strafe aus.
Einleuchtend sind Paulinas Gefühle, deren Leben durch dei Gewalt zerstört wurde. Gerardo ist hin und hergerissen zwischen seinen Prinzipen, die Selbstjustiz als Unrecht verurteilen, und seinen Enotionen, die sie in dieser Situation als richtig erscheinen lassen. Offen ist schließlich auch noch, ob der Doktor wirklich der Schuldiege ist.
"Der Tod und das Mädchen" ist ein wahrhaft fesselndes Stück, das von allen drei Schauspielern, besonders aber von Stefanie Kuznik, glaubhaft und eindringlich gespielt wurde.
20.02.2001 * (lcm)
Der Gerichtsaal war proppenvoll, so daß die Luft langsam knapp wurde, aber das störte niemanden. Die Marburger "Prominenz" war erschienen um einen freudiges Ereignis zu feiern. Am Montag abend (19. Februar) eröffnete Gerichtspräsident Hanns Gottlob Rühle, die 50. Ausstellung in den Räumen des Arbeitsgerichts Marburg. Unter dem Titel: "Das gelbe Haus"sind in dem Gebäude an der Gutenbergstrasse bis zum 30.April Bilder des Künstlers Jochen Schumacher zu sehen und zu kaufen.
Die 50. Austellung nahm Rühle zum Anlaß Bilanz über seine Tätigkeit als Vorsitzender des Arbeitsgerichtevereins Marburg zu ziehen. Er berichtete vom Begin der Ausstellungen im Juni 1988 und den Hindernissen die sich ihm, als Kunstliebhaber und -förderer in den Weg gestellt haben. Seine Idee, Kunst in das Gericht zu bringen, verfolgt das Ziel, sie dem "normalen" Menschen zugänglich zu machen. Darüberhinaus möchte Rühle Künstlern aus der Region ein Forum bieten. Bis heute haben 62 Künstlerinnen und Künstler ihre Werke in der Gerichtsgalerie ausgestellt. Die Gründung des Arbeitsgerichtsvereins befreite Rühle von juristischen Problemen, welche die Unvereinbarkeit von Richteramt und Mäzenatentum mit sich bringen könnten. Dennoch blieb die Kunst ein strittiges Thema: "Oft war mein damaliger Präsident ganz anderer Auffassung, was Anstand und Sitte in der Kunst betraf, als die Aussteller. Manches Werk konnte nur besichtigt werden, weil es seiner Aufmerksamkeit entging. So mußten wir beispielweise vor anstößige Partien eines Bildes eine Säule plazieren."
Bis zum Jahr 2005 ist die Galerie komplett ausgebucht. Dieses Interesse ist ein Indiz dafür, wie sehr sich Rühles Schaffen in Marburg etabliert hat.
Jochen Schumacher, von Rühle liebevoll "Schumi" genannt, war trotz aller Ehrungen des Präsidenten, der Künstler des Abends. Seine Bilder zeigen in erster Linie Landschaften. Leuchtende Farben südfranzösischer Küsten, dänische Steilklippen und saftig-grüne Wiesen in Oberhessen sind Motive seiner Malerei. Dabei benutz er Aquarellfarben oder Pastell. "Das gelbe Haus" ist bereits die zweite Ausstellung des 62-jährigen, der im Hauptberuf wissenschaftlicher Zeichner an der Universitätsklinik Marburg ist. Sein großes Vorbild ist Otto Ubbelrohde, den er nach Meinung Rühles sogar manchmal übertrifft.
"Das gelbe Haus" im Arbeitsgericht Marburg (Gutenbergstrasse 29a, 35037 Marburg) ist bis zum 30. April Montags bis Donnerstags von 8 bis 16 Uhr, sowie Freitags von 8 bis 14.30 Uhr geöffnet.
18.02.2001 * (FJH)
Als "Haus der Romantik" wird das ehemalige Haus des Kunstvereins am Markt 16 weiter genutzt. Am Freitag unterzeichneten Bürgermeister
Egon Vaupel
als städtischer Kulturdezernent, Oberbürgermeister
Dietrich Möller
als vorsitzender des neugegründeten Vereins "Haus der Romantik" und Joachim windfuhr, Präsident der Brüder-Grimm-Gesellschaft in Kassel, einen Nutzungsvertrag zwischen dem Verein und der Stadt, die die Räume für Ausstellungen und Veranstaltungen zur Verfügung stellt.
Windfuhr wies dabei auf die Bedeutung Marburgs für die Romantik hin, die bislang weithin unterschätzt worden sei. So sei "Des Knaben Wunderhorn", die bedeutendste Gedichtsammlung der Romantik, von Achim von Armin und Clemens von Brentano in Marburg zusammengestellt worden. Im "Bettina-Tempelchen" auf dem Gelände des Forsthoffs schrieb Bettina von Armin, Ehefrau des Achim von Armin und Schwester des Clemens von Brentano, einige ihrer Texte. Mehrmals kam die junge Künstlerin aus ihrem Heimatort Frankfurt nach Marburg, wo sie bei ihrem Schwager, dem Rechtsgelehrten Friedrich-Karl von Savigny wohnte.
Wichtige Impulse vermittelte Marburg auch den Brüdern Grimm, deren Märchen von dem Marburger künstler Otto Ubbelohde illustriert wurden. Seine Zeichnungen wie auch andere Originalexponate möchte der Verein nun in seinem neuen "Haus der Romantik" auf 120 Quadratmetern in zwei Etagen der Öffentlichkeit zugänglich machen.
17.02.2001 * (lcm)
"Der Widerspenstigen Zähmung" von William Shakespeare ging am Freitag (16. Februar) in der vollbesetzten Marburger Stadthalle über die Bühne. Es war Premiere. Die letzte für Frank Damerius. Der Regisseur wird Marburg verlassen, um anderswo seine Kunst auszuüben.
Das Lustspiel, 1593 verfasst, sorgte auch noch im Jahre 2001 für Amüsement im Publikum. Es handelt vom Machtkampf zwischen den Geschlechtern, den die Schauspieler des
Hessischen Landestheaters
Marburg dem Zuschauer auf kurzweilige Weise vorführten.
Der reiche Edelmann Baptista hat zwei Töchter, eine jüngere, Bianca (Erika Spalke), lieblich und schön und sehr umworben, die ältere, Katharina (Kerstin Westphal), widerspenstig und wild. Nach dem Willen des Vaters muss sie zuerst verheiratet werden.
Motiviert von der hohen Mitgift erklärt sich Petruchio (Jochen Nötzelmann) bereit, Katharina zu ehelichen. Er hat sich vorgenommen, sie zu zähmen. Es kommt zu einem wortreichen Schlagabtausch zwischen beiden. Unterdessen hat sich der junge Edelmann Lucentio nach zahlreichen Verwicklungen gegen seine anderen Bewerber um die Liebe Biancas durchgesetzt und erhält sie zur Frau. Beim finalen Hochzeitsbankett führt Petruchio stolz seine Katharina vor, die auf Befehl ihres Mannes die Unterwerfung der Frauen unter ihre Männer verherrlicht.
In der Inszenierung von Frank Damerius bleibt ihre endgültige Unterwerfung, anders als in Shakespeares Vorlage, letztlich offen. Eine Besonderheit der Inszenierung war die "Geräuschkulisse" . Auf der Bühne saß ein Schauspieler, der jeden stolzen Schritt, jeden blendenden Einfall mit Perkussionsinstrumenten und Triangel begleitete. Zwischen den Szenen erklang elisabethanische Musik. Die Kostüme passte Ausstatter Klaus Weber ebenfalls der Zeit des 16. Jahrhunderts an.
Das Bühnenbild bestand aus einer Holzkonstruktion mit einer Brücke im Hintergrund, die alle Szenen - ob in Padua oder Verona gespielt - zuließ. Einen Gag stellte wohl der Handwerker dar, der - mit einem Werkzeugkasten bestückt - im Blaumann zweimal durch die Aufführung spazierte.
Das Publikum zollte den Leistungen der Schauspieler Tribut und applaudierte gehörig, um anschließend zufrieden das Theater zu verlassen. Der Widerspenstigen Zähmung ist sicherlich ein zuweilen derb-lustiges Stück, schade nur, dass in der deutschen Übersetzung viele Wortspiele wegfallen und die Inszenierung oberflächlich war. Aber lustig war es allemal!
15.02.2001 * (sap)
Plunder, Nippes, Tand und Tinnef, Dinge, die die Welt nicht vermisst, kann mensch nicht nur auf dem Trödelmarkt zu Geld verwerten. "Schotter machen" demnächst Besucherinnen und Besucher des
Theaters nebem dem Turm
(TNT) mit Sachen, die sie besitzen, aber vergessen haben, die Gefühle hervorrufen, aber kaum noch wahrgenommen werden.
Zum Schwerpunkt im ersten Halbjahr 2001 hat sich
german stage service
die Beschäftigung mit altem "Gerümpel" gesetzt, das die Zuschauenden mitbringen und sie somit auch zu Mitgestaltenden macht. Denn sie können ihre Geschichte erzählen, die sie mit eben diesem Gegenstand verbindet oder auch die Show selbst gestalten.
Am 22. Februar findet die Reihe "Schotter machen" den Einstieg mit "Macht kaputt, was euch kaputt macht!
- Unnütze Dinge werden zerlegt". 10 DM zahlt das TNT jedem Tauschwilligen gegen das Recht, etwas lange Gehasstes oder einfach Überflüssiges effektvoll zu zerstören. Wirklich reich werden kann dabei allerdings niemand - bei 10 DM Eintritt ergibt diese Auszahlung für beide Seiten ein Nullsummenspiel. Es geht an diesem Abenden allerdings nur am Rande um Geld, Fetisch und Warencharakter.
"Wir wollen mit den Gefühlen arbeiten, die diese Gegenstände auslösen", erklärt Matti Fischer, Performer und technischer Leiter des TNT. Es gehe dabei nicht darum, ein Nostalgie-Projekt mit alten Stoffteddies zu starten, sondern "um eine kollektives Theatererlebnis, das die Rollen vertauscht und die Zuschauer bezahlt".
"Ja, äh, und hier seht ihr jetzt... - Der etwas andere Diaabend" am 15. März läuft nach den gleichen Spielregeln: jede Person, die Dias zeigt, die für sie etwas bedeuten, bekommt 10 DM. Die Mitwirkenden haben auch hier die größtmögliche Freiheit, wie viele Dias sie zeigen und ob oder was sie kommentieren.
"Wie ein Spiel nach bestimmten Regeln, aus dem man sich auch zurückziehen kann", überschreibt Cerstin Gerecht vom german stage service die Reihe, denn das "Publikum" kann auch vorübergehend ins Foyer gehen, dort etwas trinken und später wieder dazustossen.
Weg von den Dingen hin zum Körper wendet sich "Von hinten durch die Brust in's Auge - Jeder Mensch ist etwas ganz besonderes" am 19. April. Wer glaubt, etwas vorführen zu können, dass sonst niemand im Saal kann, bekommt - falls dies zutrifft - dafür 10 DM. Ob dabei auf Händen durch den Saal gegangen wird oder jemand ein Gedicht vorträgt, ist egal, wichtig ist, dass das Gezeigte ohne Hilfsmittel vorgeführt werden kann.
Die Reihe "Schotter machen - Reich werden im TNT" setzt sich in den Monaten Mai mit "Platz, Hasso, platz! Verdammt nocht mal! - Haustiere machen uns was vor". Im Juni folgt "I'm still standing - Stehen bleiben und Geld verdienen" sowie zum Abschluss im Juli "Hallomirgeht'sgut - Post, die besser nie geschrieben worden wäre."
Am Ende soll - durch diese Reihe inspiriert - eine Produktion entstehen, die german stage service im Herbst aufführen wird.
"Es ging uns darum, nicht während der Arbeitsphase zu einem Stück abzutauchen, sondern das Marburger Publikum am Entstehen teilhaben zu lassen", erläutert Cerstin Gerecht den Hintergrund des Projektes.
Die Reihe "Schön am Mittwoch" setzt sich im März mit einem "Musikmonat" fort. Mittwöchliche BesucherInnen des TNT erwarten Cross-Over Projekte, bei denen sich JazzmusikerInnnen mit anderen Stilrichtungen wie Rock oder Pop auseinandersetzen sowie ein Ella Fitzgerald-Abend.
14.02.2001 * (sfb)
Waren die in edles Tuch gehüllten Gestalten im Fürstensaal des Marburger Landgrafenschlosses etwa Geister längst verstorbener Bewohner? Natürlich nicht, aber die Zuschauer des Stückes "Der zweyweibige Landgraf" von Daniel Twardowski hätten es glauben können.
Um Spiel und Betrug ging es auch in dem Stück selbst, das das
Hessische Landestheater
seit dem 10. Februar an der historischen Wirkungsstätte des Landgrafen von Hessen aufführt. "Philipp der Großmütige" (Thomas Streibig) suchte den leidigen Streit um das rechtmäßige Erbe zwischen seinen Söhnen zu schlichten. Wer also darf erben: Wilhelm (Ronald O. Staples), ein Sohn aus erster Ehe oder der infantile Christoph (David Gerlach), Sohn aus der umstrittenen Zweitehe mit Margarethe von Halle ? Kein Geringerer als der Hofnarr Till Eulenspiegel (Gabriel Spagna) war beauftragt, den Erben durch einen geheimnisvollen Kunstgriff zu ermitteln. Nur ein ehelich Geborener, so der Schalk, sei imstande, zu erben und die Werke des Vaters auf einer - in Wirklichkeit - leeren Fläche zu sehen. Wer die literarische Vorlage kennt, war nicht überrascht zu hören, dass die Söhne vorgaben, zu sehen, was es nicht gab. Blind aus Habgier, trauten sie ihren Augen nicht, sondern nur dem, was der Narr sie glauben machte: Szenen aus der politischen Karriere des väterlichen Landgrafen, wie das berühmte Marburger Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli oder sein Feldzug gegen die Reichsritterschaft eines Franz von Sickingen.
Das Motto dieser Aktion "wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Prophet herausschauen", wurde bühnentechnisch raffiniert umgesetzt. Die leeren Flächen, in die die Streithähne ihre Größenphantasien projizierten, waren die drehbaren Rückwände ihrer eigenen Porträts.
Der so demaskierte (selbst-)Betrug trieb den brüderlichen Erbfolgestreit in seiner ganzen Lächerlichkeit auf die Spitze, - zur wahren Freude des Publikums.
Nicht minder amüsierte es ein salopper Schlagabtausch, den die uneheliche Tochter Philipps (Cornelia Schönwald), Elisabeth von Rochlitz (Uta Eisold) und der Landgraf zu der Feststellung steigerten, dass Betrügen und Herrschen zusammengehören.
Dass Stück zeigte ein weiters: so wenig, wie Ehrlichkeit und Politik in Einklang zu bringen sind, so wenig sind Privates und Politisches vereinbar. Der "zweyweibige" Landgraf mit den drei Hoden lebte die Bigamie mit Christina und Margarethe zu einem hohen Preis. Auf Befehl von Kaiser und Papst mußte der Vorreiter der protestantischen Bewegung seine Truppen - ausgerechnet - gegen die französischen Hugenotten befehlen. Thomas Strebig, im Auftreten besonnen und ruhig, war die Rolle des Marburger Landgrafen als verantwortungsbewußter Familienmensch buchstäblich auf den Leib geschnitten.
Besonders hervorzuheben sind aber die schauspielerischen Leistungen von Uta Eisold in der Rolle der Elisabeth von Rochlitz. Souverän gab sie Impulse, stellte Fragen, die den Handlungsablauf vorantrieben, und deckte dabei Hintergründiges auf. Weniger überzeugte hingegen affektierte Gabriel Spagna in der Rolle des Till Eulenspiegel.
Insgesamt war das Stück amüsant und kurzweilig. Das Publikum qittierte die Aufführung mit langanhaltendem Applaus.
08.02.2001 * (sfb)
Gleich beim Eintreten in die neu errichtete Kunsthalle trifft der Besucher auf meterhohe, ausnahmslos schwarze Holzstelen.
"Kunst aus dem Osten" lautet der Titel der aktuellen Ausstellung des Marburger Kunstvereins. Gemeint ist nicht eine ostspezifische Kunst, sondern Künstler aus dem Osten: Annette Schröter, geboren 1956 in Meißen und Hans Brockhage, geboren in Schwarzenberg/ Erzgebirge. Bis auf die Herkunft aus Ostdeutschland weisen ihre Exponate wenig Gemeinsames auf. Brockhage stellt Ergebnisse seiner bauplastischen Arbeit aus, mit der er 1968 begonnen hat. Die als Gastprofessorin für Malerei an der Sommerakademie PENTIMENT in Hamburg und an der Hochschule für Kunst und Design tätige Künstlerin Annette Schröter stellt Ölgemälde aus.
Mal paarweise, mal einzeln gruppiert, erinnern Brockhages Skulpturen aus Holz an das legendenumwobende Gebilde von Stonehendge. Außerdem machen sie den Eindruck von Wesen, die überaus kraftvoll, aber auch verhalten bis starr in Erscheinung treten. Wie hat der an der Fachhochschule Halle und der Universität Schneeberg dozierende Künstler diesen Widerspruch bewerkstelligt? Entlang der naturbelassenen Maserungen eines Baumes sieht man kunstvoll verdrehte Linien und tief eingelassene Streben. Dadurch entsteht der Eindruck von einer dynamischen Bewegung, die von den Holzkörpern weg nach außen gerichtet ist. Der im Krieg schwer verwundete Künstler gestaltet seine Holzfiguren aber gleichzeitig in Form eines Torso mit abgetrennten Ausläufern und Einkerbungen quer durch die Maserungen des Holzes. Die in eine bestimmte Richtung strebende Kraft wird in ihrem Ausdruck gehindert und bleibt in dunkler Trauer geheimnisvoll verschlossen.
Brüche und Widersprüche zeigen sich auch in den nebeneinander angeordneten Stämmen, von denen eine majestätisch und glatt nach oben gerichtet ist, während die andere eckig und kantig an ihr lehnt oder sie - je nach Betrachtung - stützt. Die in knalligen Gelb-, Rot-, Grün und Blautönen gehaltenen Bilder von Annette Schröter hingegen versprechen auf den ersten Blick fröhliche Unbeschertheit. Diese Erwartung wird beim zweiten Blick allerdings enttäuscht. Aber eben dadurch fesseln und faszinieren die eindrucksvollen Werke. Überproportional große Köpfe, riesige und flehende, auf den Betrachter gerichtete Augen von turnenden Mädchen stehen in schreiendem Kontrast zu den bunten Farben ihrer Kleidung: Gequältes Lächeln zum bösen Spiel. Ebenso maskenhaft erscheint die Kleidung von herumstehenden Männern, deren knallig-gelbe Farben nicht darüberhinwegtäuschen können, dass die zumeist abgewandten Gesichter schwarze Furchen und eine ungesunde, lila Hautfarbe haben. Nicht minder beeindrucken die Mövenbilder der Künstlerin. Die in nervöser Pinselführung und ebensolcher Farbkombination ausgeführten Vogelkörper drücken eine innere Spannung aus, die sich in einem disharmonischen Miteinander von wild herumschwirenden Möven niederschlägt.
Die Werke der beiden Künstler lohnen einen Besuch in der Ausstellung, die noch bis zum 7.März, jeweils dienstags bis samstags von 11. bis 13.00 Uhr und von 15.00 bis 19.00 Uhr sowie sonntags von 11.00 bis 17.00 Uhr besucht werden kann.
04.02.2001 * (sfb)
Was tun gegen die Langeweile im Leben? Die selbsternannten "Hoffnungsträger" Peter Meyer, Marcus Schäfer und Markus Seidensticker suchten diese Frage am Freitagabend (2. Februar) in der Waggonhalle nun definitiv und endgültig zu beantworten. Ob Ihnen das gelungen ist?
Mit abwechslungsreich gestalteten Mono- und Dialogen, mal mit und ohne Gitarrenbegleitung, ließ das Quartett -zumindest auf der Bühne- keine Langeweile aufkommen. So räumten die vier Waisen der Befindlichkeit am gähnenden Nichts viel Raum - vor allem - in abgestandenen Beziehungskisten ein. Nach dem Vorbild Estragons und Vladimirs in Beckets "Warten auf Godot" mühte sich Nora, der weibliche part in dem ohne Höhepunkte dahinplätschernden Beziehungseinerlei, ihren gleichgültigen Ehegatten zum Sprechen zu bringen - doch ohne Erfolg. "Sag doch was!", sagte sie. "Ich sag nichts", sagte er. "Aber jetzt hast Du doch was gesagt.", sagte sie. "Ich sagte das, damit Du schweigst.", sagte er.
Außer monotonen, sich selbst nährenden Kreissätzen, blieben auch die Sehnsüchte eines verkappten Doktor Faustus in Auerbachs Keller auf ganzer Linie unerfüllt. Und das, obwohl er - anders als sein "snobistisches" Original - nicht mit heißem Bemühen zu begreifen suchte, was die Welt im Innersten zusammenhält. Nein, unser Faust ist bescheidener: er wollte einfach nur mal aus dem Alltag ausbrechen und etwas Besonderes erleben. "Doch der Scheiß-Pudel kommt nicht", so seine Klage.
Eine weitere, zum Scheitern verurteilte Variante, die mitunter fade Langeweile des Lebens zu vergessen, präsentierten die "Hoffnungsträger" in einem brandaktuellen Gewand, in das erfolgsgeile, flexible und dynamische Jungunternehmer schlüpften. Während ihres abgedrehten online-kauderwelschs über "coole talkings", "start up teens" oder "outgoing calls" wurde eine flüsternde Stimme hinter den Kulissen hörbar:"Ich bin aufgeblasen und tauge zu nichts Originellem," kündete es.
" Lebensentwürfe dieser Art können nicht richtig sein. "Doch was ist die Lösung?", fragten die vier. Selbstquälerisches, bis zur Erschöpfung gesteigertes Jammern über die Absurdität des Lebens, an dessen Ende der Selbstmord steht? Oder dem Nirwana zustreben, in dem alles Wünschen und Hoffen sowie Enttäuschungen ausgelöscht ist? Nichts dergleichen!
Wie Sysiphos nach dem gleichnamigen Mythos den herunterrollenden Stein nach oben bewegt, obwohl er dort nicht bleiben wird, wollen auch die vier Lebenskünstler sich nicht in Wehklagen erschöpfen. Es gelte, sein Potential -lächelnd, originell und authentisch - auszuschöpfen auf immer neue Ziele hin.
Für diese Antwort auf die Sinnfrage erntete das existenzphilosophische Quartett den Applaus des Publikums, das ihm ihre Interpretationskünste und die mitunter weniger originellen Anleihen bei namhaften Literaten und Philosophen zu verzeihen schien.
21.01.2001 *
Ge-hessisch: Rolf Miller machte den Spaß voll
Kultur
©
22.02.2001 by
fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg
e-Mail:
redaktion@marburgnews.de