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Wissenschaft


Mörderisch: "Wem gehört der Mensch ?"


16.03.2001 * (
sfb)
Darf sich der Mensch umbringen? Dieser Frage ging Dr. Friedhelm Decher von der Universität Siegen am Donnerstagabend (15. März) nach. Er folgte mit dem Vortrag "Wem gehört der Mensch" einer Einladung des Vereins Philosophia in das Philipps-Haus, in das sich einige Interessierte eingefunden hatten.
"Wem gehört der Mensch" ist dem Buchtitel von Jean Amery entlehnt, der diese Frage nicht nur theoretisch, sondern auch im praktischen Vollzug beantwortete. Nach zwei Aufenthalten in deutschen Konzentrationslagern legte er zunächst seinen Namen Hans Maier ab und nannte sich fortan Jean Amery, bis er schließlich auch sein Leben ablegte - als eine , wie er es nannte, unerträgliche Last. Im Moment des "Absprungs" gehörte er sich selbst.
Der Gedanke, dass die Selbsttötung einen Akt individueller Freiheit darstellt, steht in einer langen Tradition, meinte Decher im historischen Rückblick. Bereits die antiken Stoiker und Epikureer rechtfertigten den Selbstmord, wenn das Leben aufgrund widriger Umstände unerträglich geworden ist: Diese können schwere Krankheiten, erhebliche Nahrungsmängel, die Gewalt eines Tyrannen oder eine Geisteskrankheit sein. Dem Entschluß, sich zu entleiben, müsse aber ein vernünftiges Abwägen vorausgegangen sein.
Fortgesetzt wird der Gedanke, nach freier Entscheidung zu sterben, von Michel de Montaigne ,David Hume und natürlich von Friedrich Nietzsche, der ihn sogar als ein Fest inszenieren würde.
Dieser Argumentationsstrang steht konträr zu einer langen Reihe von Thesen, die gegen den Selbstmord formuliert wurden. Ihre Begründung, die sich von der Antike bis ins 20. Jahrhundert durchhält, lautet schlicht: Der Mensch gehört sich nicht. Basta.
Nach dem antiken Philosophen Platon steht der Mensch einzig unter der Verfügungsgewalt der Götter, die über Leben und Tod entscheiden. Wer dennoch Hand an sich legt, verstoße gegen göttliches Gesetz und gehöre über den Tod hinaus bestraft. Sein Leichnam dürfe in keiner feierlichen Zeremonie beigesetzt werden. Eine Grabesstätte, mit der des Verstorbenen gedacht werden könnte, dürfe es nicht geben. Der Tote könne sogar wie ein Tier auf dem Müll oder in abseitigen Gegenden verscharrt werden.
Auf platonischer Legitimationsbasis schloß sich das Christentum diesen drakonischen Strafmaßnahmen gegen Selbstmörder an, die so ihrer letzten Ehre beraubt wurden. Der Kirchenlehrer Augustinus sowie der Scholastiker Thomas von Aquin formulierten die christliche Variante des platonischen Gedankens so: Da das Leben ein Geschenk Gottes sei, dürfe der Mensch es nicht weg werfen. Ausnahmen seien der Krieg, in dem der Mensch sein Leben opfern kann - sogar muß, oder die Todesstrafe, die gegen einen Verbrecher verhängt werden dürfe. Dies geschehe schließlich auf göttliche Veranlassung.
Für Thomas von Aquin ist der Selbstmord nicht nur ein Frevel an Gott, sondern auch naturwidrig. Er verstoße gegen den Selbsterhaltungstrieb des Menschen. Ein weiteres Argument gegen den Suizid ist sozialethisch motiviert: Da der Mensch ein Teil der Gemeinschaft ist, verstoße der Selbstmörder auch gegen die Rechte der Gesellschaft, so Decher abschließend über Thomas von Aquin.
Diesen Ansatz griffen spätere Philosophen auf, die ebenfalls in erbitterter Gegnerschaft zum Selbstmord standen, wie der Aufklärer Thomas Hobbes, der Niederländer Baruch Spinoza, Immanuel Kant oder der Soziologe Emile Dürckheim. Einen interessanten Gedanken liefert Jean-Jacques Rousseau; er setzt zwar die Argumentationsfiguren seiner Vorgänger und Zeitgenossen fort, dass die Selbsttötung weder in religiöser, gesellschaftlicher noch in individueller Hinsicht legitim sei, aber er gab folgendes zu bedenken: in primitiven Gesellschaften, in denen natürliche Lebensbedingungen vorherrschen, gäbe es keinen Selbstmord.
Bis zum heutigen Tage existieren keine versöhnlichen Verbindungslinien zwischen den zwei Ansichten über den Suizid. Damit schloß Friedhelm Decher seine überaus lebendigen Ausführungen, die bei den Zuhörerinnen und Zuhörern gut ankamen.


Außerirdisch: Däniken in der Universitätsstadt Marburg


16.03.2001 * (
sfb)
"Ich bin ein Phantast, der die Welt in Atem hält", sagte er über sich selbst. Tatsächlich rollte am Mittwochabend (14. März) ein atemberaubendes Schnarchen über die Zuschauermenge in der Marburger Stadthalle. War etwa der Lichtbildervortrag Erich von Dänikens zum Thema "Die großen Rätsel dieser Welt" Schuld daran?
Immerhin stimmten einige Gäste zu, wenn sich von Däniken über die "hohlen Phrasen" der Wissenschaftler amüsierte. Gelächter erntete auch der Satz, dass die Wissenschaftler viele Speisekarten hätten, aber nichts auf dem Tablett servierten.
Welche Ergebnisse hat nun von Däniken seinen Zuhörern serviert, um die Rätsel dieser Welt zu lösen? Wie beantwortete er die selbstgestellten Fragen, die zum Beispiel beim Anblick von 8 .000 Tonnen schweren Blöcken aus Tioritgestein auftauchen. Wie kommen die Gebilde auf eine Plattform von 4.000 Metern Höhe ? Woher stammen sie ? Und vor allem: Wer schaffte sie dorthin?
Da die steinzeitlichen Ureinwohner Boliviens nicht in Frage kämen, da sie diese Blöcke weder bewegen noch ihnen den präzisen Schliff verpassen konnten, lag die Antwort auf der Hand: Außerirdische müssten am Werk gewesen sein. Eine Legende, die Dänikens Meinung nach einen wahren Kern enthält, gibt Aufschluß: Es handele sich bei diesen Giganten um Überreste eines Bauwerks, in dem Außerirdische dereinst residierten. Irgendwann seien sie abgezogen. Den Grund weiß Däniken nicht. Vielleicht haben sie die Höhenluft nicht vertragen. Wer weiß? Auf alle Fälle hätten sich in der Folgezeit Mythen und Sagen um die verwaisten Stätten gerankt. In Asien oder dem heutigen Lateinamerika seien Altäre oder Tempel auf derartigen Plätzen errichtet worden, da die damaligen Menschen davon ausgingen, dass deren Bewohner Götter und nicht normale Außerirdische wären.
Eine andere Version, in der von Däniken die Existenz außerirdischer Lebewesen zu beweisen suchte, präsentierte er anhand eines weiteren Dias. "Woher kommen die aus der Luft zu sehenden Gebilde, die nach den Lehrsätzen des Pythagoras angeordnet sind?", lautete seine Frage. Da Pythagoras erst viele Jahre nach dem Auftauchen jener geometrischen Figuren das Licht der Welt erblickte, war der schlagende Beweis erbracht. Überirdische Wesen, die bereits in alten indischen Schriften erwähnt wurden, seien dereinst aus sogenannten Mutterschiffen auf die Erde herabgestiegen, um die Menschen zu unterweisen. Diese These sieht von Däniken auch in den Tanzkulten der heutigen Hopi-Indianer bestätigt, die zu Ehren ihrer heiligen und überirdischen Lehrmeister veranstaltet werden.
Und was sind das für Bauwerke, die in der Nähe eines aztekischen Pyramidenbaus angelegt sind? Däniken zufolge zeigen sie die Planeten des Sonnensystems: Uranus, Neptun oder Pluto. Die Konstruktion der Bauten geht zweifelsohne auf Pläne der Außerirdischen zurück, da die damaligen Menschen von solchen Dingen nichts wissen konnten. In diesem Fall ergänzte Däniken diese oft wiederholte Schlußfolgerung mit folgender Erkenntnis: Er wußte genau, warum und wozu die Außerirdischen diese und ähnliche Spuren ihrer Existenz hinterließen. Sie wollten, dass Menschen intelligente Fragen stellen. Fragt sich nur: Wozu? Um damit den Saal und die Geldbörse des Referenten zu füllen ?. Wer noch weitere Fragen habe, könne sich Videocassetten zum Preis von 30 DM im Foyer kaufen. Mit diesem Satz entließ Erich von Däniken seine Zuhörer dann zur guten Nacht.


Angeprangert: Schiller über Uni zur Nazi-Zeit


08.03.2001 * (
sfb)
"Ich weiß nicht, ob das Thema Sie erwärmen kann, wie die Temperatur hier." Mit diesen Worten leitete Universitäts-Vizepräsident Prof. Theo Schiller seinen Vortrag zum Thema "Die Phillips-universität im Nationalsozialismus" ein.
Überwiegend ältere Menschen - Zeitzeugen - hatten sich am Mittwochabend (7. März) in der alten Universität eingefunden. Die "Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit" hat die wider Erwarten gut besuchte Veranstaltung im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" initiiert.
Der Politologe und Jurist, der den Arbeitsschwerpunkt "Politisches System und Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" vertritt, verfolgt in seinem Arbeitskreis das Ziel, Lücken in der Marburger Universitätsgeschichte aufzuarbeiten. In seinem Vortrag hat Schiller eine Reihe von Namen aufgelistet, die im nationalsozialistisch geprägten Universitätsbetrieb das Sagen hatten. Er nannte zudem Personen, deren berufliches Fortkommen in früheren Zeiten verhindert war, die aber mit Rückenwind des NS-Regimes als Bildungselite Karriere machen konnten.
Obwohl die Philipps-Universität in einer konservativ-völkischen Tradition stand, war die Zahl der genannten Opfer doch ziemlich hoch, im bundesweiten Vergleich hingegen sehr gering. Es waren überwiegend Menschen jüdischen Glaubens oder SPD-Mitglieder, die den nationalsozialistischen Entscheidungsträgern an der Universität zum Opfer gefallen sind. Sie wurden ausgebürgert, entlassen, diskriminiert, oder ihnen wurden die akademischen Grade aberkannt. Widerstand gab es nur in seltenen Ausnahmefällen.
Werner Kraus, zwangssuspendiert und im Januar 1943 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, konnte immerhin durch den Einsatz von Universitätsmitgliedern gerettet werden.
In den meisten Fällen war aber die Emigration in ein anderes Land die einzige Rettung. Namhafte jüdische Hochschullehrer wie Erich Auerbach oder Wilhelm Röpke emigrierten nach Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze nach Istanbul. Dass die Türkei zur damaligen Zeit ein beliebter Zufluchtsort war, daran sollten Türken und Deutsche gelegentlich denken, meinte Schiller.
Entlassene oder ein Entzug der Lehrerlaubnis wurden in großem Stil öffentlich an den Pranger gestellt: am schwarzen Brett oder im "Reichsanzeiger".
Als Hermann Jacobsohn sich das Leben nahm, da man ihm vorläufig vom Amt suspendiert hatte, verzichtete man allerdings auf eine öffentliche Trauerbekundigung.
Noch bis zum heutigen Tage scheut man sich vor symbolischen Wiedergutmachungen derartiger Fälle. 1965 wurde zwar "das Gesetz zur Aberkennung der Doktorwürde" unwirksam, aber die Betroffenen blieben unbekannt. Anstrengungen, diese ausfindig zu machen, unterblieben.
Eine Ausnahme bildet die Rehabilitierung von Rudolf Breitscheidt, einem Mitglied im SPD- Reichstag, dem neben vielen anderen die Doktorwürde entzogen wurde. Nachdem das Ermächtigungsgesetz in Kraft getreten war, ging er ins Exil nach Frankreich. Die dortige Vichy-Regierung lieferte ihn an das faschistische Deutschland aus, wo er im KZ - Buchenwald verstarb. Auf eine Initiative von Prof. Georg Füllberth wurde er am 20. Juni 1983 rehabilitiert.
Schiller wies am Ende seiner Ausführungen darauf hin, dass nicht nur nackte Gewalt, sondern auch Propaganda und Manipulation als Herrschaftsinstrumente eingesetzt worden sind. Die Gesellschaft solle nun endlich Rechenschaft ablegen über ihre Vergangenheit.


29.01.2001 * Mein Praktikum: Eindrücke aus einem Journalistenbüro


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