Wissenschaft


Ideal: Ein Gentleman à la Kahl


14.09.2001 * (
sfb)
Wer beklagt ihn nicht - den unerträglichen Individualismus oder die primitive Rüpelhaftigkeit der heutigen Zeit. Keine Klagen, sondern eine passable Antwort darauf präsentierte Joachim Kahl mit seinem Vortrag "Das Gentleman-Ideal - ein humanistisches Persönlichkeitsideal für unsere Zeit, wieder entdeckt und neubegründet." Mit diesem - leider schlecht besuchten - Vortrag folgte er am Donnerstagabend (13. September) einer Einladung von Philosophia e.V. in das Philippshaus.
Und wer kennt es nicht- das Gedicht unseres Nationalliteraten Johann Wolfgang von Goethe "Natur und Kunst":
"Wer Großes will, muß sich zusammenraffen; in der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,..." oder die Meisterin, wußte Joachim Kahl, seines Zeichens Theologe und.Philosoph, zu ergänzen. In der Tat: Das Gentleman-Ideal, das in dem vielzitierten Gedicht anklingt, ist nicht auf das männliche Geschlecht beschränkt. Trotz der Silbe "man" sind auch Frauen gemeint. Ebenso ist das Gentleman-Prinzip nicht an eine bestimmte Schicht oder Ideologie gebunden.
Bevor Joachim Kahl seine eigene Sicht der Dinge darlegte, machte er einen historischen Abriß des Gentleman- Begriffs. Unterschiedliche Strömungen prägten und entwickelten ihn weiter. Der Kern des Gentleman-Begriffs blieb durch alle Zeiten hindurch erhalten: Die für ihn typische Haltung des " Maß-Haltens " fand sich bereits im asiatischen Konfuzianismus oder der mittelalterlichen Ritterethik des Adels.
Immer um Ausgleich und "Zurückweisung der Extreme" bemüht, ist der Gentleman dem Grundsatz Geben und Nehmen, Leben und Leben lassen, verpflichtet, dies entspricht der altgriechischen Idee der "Kalogagathia", einer Menschlichkeit, die das Schöne und Gute in sich vereint.
In dieser altehrwürdigen Tradition stellt Kahl seinen Hörern vier elementare Leitmotive vor, die seinen eigenen Gentleman-Begriff ausmachen.
Selbstbehauptung, Selbstbegrenzung, Fairness und gesunder Menschenverstand. Diese Begriffe hängen miteinander zusammen. Auch hier gilt, das keiner der Begriffe absolut, sondern in Verbindung mit anderen, ihn korrigierenden gesetzt ist. Sie verhindern ein Abdriften ins Extreme. So verbindet Kahl die Begriffe Selbstbehauptung und Selbstbegrenzung:
"Selbstbehauptung heißt: sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Selbstbegrenzung heißt umgekehrt, auch niemanden unterzubuttern. Leben weder auf Kosten anderer noch als Podest anderer.", so Kahl.
Gegen Ende seines lehrreichen Vortrags erfuhren die Hörer von Grundformen der Höflichkeit und wie sich der Mensch zum Gentleman erzieht.
Höflichen, aber ehrlichen Beifall erntete der Referent auch für diese Ausführungen.


30.08.2001 * Fund im Flussbett: Historischer Fachwerk-Brückenpfeiler


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