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Text von Freitag, 14. Juni 2002


Lifestyle-Loser: Generation "Ally"

Marburg * (sap)
Sie sind um die dreißig Jahre alt. Sie sind Single, haben einen guten Job und treffen sich nach der Arbeit mit Kollegen in einer Lounge. Wenn sie nach Hause kommen, lesen sie ihre e-Mails. Neben ihrem Bett liegt dieses Buch über Buddhismus und ein Finanzratgeber für Frauen. Sie brauchen nichts und niemanden, doch eigentlich wollen alles und jemanden. Sie gehören der Generation "Ally" an. Mit dieser Generation setzt sich Katja Kullmann in ihrem Buch "Generation Ally - Warum es heute so schwer ist, eine Frau zu sein", auseinander. Am Donnerstag (13. Juni) las die Autorin aus ihrem Werk im Kulturladen KFZ.
Nach ihrem TV-Vorbild Ally Mc Beal führt die Generation der zwischen 1965 und 1975 geborenen ein beruflich erfolgreiches, scheinbar selbstbestimmtes Leben. Aufgewachsen sind die Allies von heute in der 80er Jahren. Ihre Mütter versuchten sich - nach dem Erfahrungen der Frauenbewegung - nicht nur als Versorgungsmaschine, sondern auch als Person wahrzunehmen. Doch trotz Töpferkurs und Yogagruppe ging der Vater arbeiten, die Mutter blieb zu Hause und übernahm den Haushalt. Die Generation von Katja Kullmann wollte alles anders machen als ihre Mütter. Auf keinen Fall würde sie ihre Karriere der Familie opfern und zu zuallererst stets an sich selbst denken.
Die Generation Ally tritt in den 90ern, dem "Lifestylejahrzehnt", das Erwachsenenalter an. Auf jeden Fall würde eine Frau der 90er dem Mann mit der Lavalampe und einer Carrhat-Hose dem Vorzug vor dem S.Oliver-Hosen-Träger mit einem Deckenfluter geben, ohne recht zu wissen wieso.
Neben den Trend-Phänomenen der Zeit zeigt Katja Kullmann auf, wie Frauen im Berufsleben, vor allem in höheren Positionen, nach wie vor unterrepräsentiert sind. Zu Hause habe sich die Arbeitsteilung auch für viele berufstätige Frauen nicht verändert. "Die Generation Ally ist im Haushalt kein Stück weiter als ihre Müttergeneration", meint die Autorin.
Katja Kullmann erntete viele Lacher und Schmunzler im bis auf den letzten Platz besetzten Kulturladen KFZ. In dem durch die große Besucherzahl stickigen Raum saßen vorwiegend Frauen um die 30 oder jünger, aber auch zu einem Viertel Männer. Die Lacher erhielt sie an Stellen, wo sie Dinge mit Sprachwitz treffend wiedergab und das Publikum sich selbst darin wiedererkannte. Doch das ist auch alles, was sie zu bieten hatte: Dinge deskriptiv sprachlich gekonnt zu formulieren.
Sie lieferte keine neuen Ideen und bat somit eine amüsante, aber oberflächlich unterhaltende Lesung. Ihr Buch wirkt wie die aus weiblicher Sicht geschriebene Version von Florian Illies "Generation Golf", ihr Stil gleicht ein wenig dem von Benjamin von Stuckrad-Barre. Ist das humorvoll-distanzierte Betrachten dieser um die dreißig-jährigen Pop-Literaten der Versuch, möglichst medienwirksam ihre midlife-crisis zu bewältigen?
Eine Antwort auf die Frage, warum es heute so schwer ist eine Frau zu sein, gab Katja Kullmann zumdindest nicht. Und dass es in ihrer Generation vielleicht auch Frauen gibt, die nicht mit Abitur und tollen Berufschancen aus der höheren Mittelschicht in die Berufswelt strömen, wird nur am Rande thematisiert. Sie kritisiert, ohne anzugreifen, sie zeigt Probleme auf, ohne ihre Ursache zu hinterfragen. Das entspricht eben auch ganz dem Zeitgeist.


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