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Text von Mittwoch, 19. Juni 2002


Demagogie: Uni-Wahlkämpfer treiben ihr Unwesen

Marburg * (sfb)
An der Philipps-Universität ist Wahlzeit. Im Foyer der Mensa warten Urnen darauf, gefüllt zu werden. Eine Etage höher im Speisesaal liegen Flugblätter herum, auf denen die zur Wahl stehenden Hochschulgruppen ihr politisches Programm servieren. Der Wahlaufruf einer sogenannten "Liberalen Studenteninitiative "(LSI) lautet: "Wählt RCDS oder LHG!"
Liest man das "pragmatische, marktorientierte und ideologiefreie" Flugblatt durch, bleibt einem fast der Bissen im Halse stecken. Da ist von wirtschaftlich unrentablen "Laberfächern" wie den Gesellschaftswissenschaften oder der Friedens- und Konfliktforschung die Rede, die aufgelöst werden sollten. In einem von Marktinteressen geleiteten Bildungsbetrieb entscheide schließlich der Kunde, was benötigt wird!
Eine Hochschulgruppe, die derartige Positionen ernsthaft verträte, kann nicht ganz zurechnungsfähig sein. Mit dieser peinlichen Selbstdarstellung schnitte sie sich lediglich ins eigene Fleisch. Die Vermutung, dass es sich um Parodien des politischen Gegners handelt, haben Distanzierungen der LHG und des RCDS tags darauf bestätigt.
Wer sich auch immer hinter dem Pseudonym "Liberale Studenteninitiative"verbirgt, eins ist sicher: er ist feige und unfair. Sämtliche Regeln des politischen Anstands hat er mißachtet. Im Schutz der Anonymität wird der politische Gegner karrikiert und der Lächerlichkeit preis gegeben. Er selbst bleibt unangreifbar und muß sich nicht verantworten. Darüber hinaus werden Wählerinnen und Wähler getäuscht und für dumm verkauft. Ob diese Gruppe, wäre sie dann zur Wahl angetreten, tatsächlich die Wählerinteressen vertreten würde, bleibt fraglich. In diesem Fall sind die Wähler bloßes "Stimmvieh", auf dessen Rücken eigene Machtgelüste ausgeübt werden.
Nicht nur die anonyme LSI, sondern auch die PDS-Hochschulgruppe fährt in ihrem 10-Punkte -Programm einen ähnlichen Kurs. Dort heißt es: "Die Marburger Universität ist ein Ort, an dem Rassismus alltäglich und rechte Verbindungsstudenten ihr Unwesen treiben. ...Deshalb fordert die PDS-UL die Einführung eines Referats für Antifaschismus und Antirassismus. Außerdem wollen wir das Verbot, an der Universität Farben zu tragen, wieder einführen."
Der Schreiber widerspricht sich selbst in einem Atemzug, wenn er einerseits antifaschistische Projekte, aber andererseits das Verbot einfordert, Farben zu tragen. Eines der Wesensmerkmale des Faschismus ist doch die Ausgrenzung Andersdenkender und -gläubiger aus der "Volksgemeinschaft"!
Interessant wäre auch zu erfahren, woran sich das rechte "VerbindungsUnwesen" tagtäglich zeigt, damit diese Kritik auch allgemein nachvollziehbar sein kann. Von der Richtigkeit seiner Anschauungen völlig überzeugt, hat es der Autor anscheinend nicht nötig, seine Behauptung zu belegen, geschweige denn, sich mit dem politischen Gegner auf einer sachlichen Ebene auseinanderzusetzen. Stattdessen grenzt man ihn als erklärte Inkarnation des Bösen systematisch aus der Öffentlichkeit aus.
Leute, die sich in dieser Weise selbstgerecht über andere erheben, sollten erst einmal einen Grundkurs in demokratischen Umgangsformen absolvieren, bevor sie die Klappe aufreißen. Vielleicht nimmt sie dann mal jemand ernst.


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