Text von Montag, 29. Oktober 2007
Özdogan: Yoga-Lehrer und Literat | ||
Marburg * (sts)
"Es ist egal, wie wenig du vom Leben willst. Nicht Mal das kriegst du", endet eine von Selim Özdogans Kurzgeschichten. Das klingt nach bitterer Lebenserkenntnis, was es wohlmöglich auch ist. Özdogan ist mittlerweile aber nicht mehr nur Autor, sondern auch Yoga-Trainer. Und da ist die Befreiung von irdischen Zwängen zentraler Anspruch. Gab es am Sonntag (28. Oktober) im proppenvollen Café Trauma also einen "neuen" Özdogan zu sehen, einen vom Zeitgeist und der eigenen Körperlichkeit "Befreiten"? Sicher nicht, denn Özdogan wäre nicht Özdogan, besäße er nicht auch zu den Lehren des Yoga eine ironische Distanz: "Aufhören, immer mehr zu wollen, immer mehr zu begehren, Aufhören, sich über Auto, Wohnung, Konsum und all dies zu definieren. Das klingt super. Aber keine Ahnung, wie man das eigentlich genau machen soll!" Wie immer, reicherte Özdogan seine Lesung mit Episoden aus seinem Leben an. Er sei schließlich keine "Vorlese-Maschine". Der Schriftsteller berichtete von Podiumsdiskussionen, in denen er für sein "fast akzentfreies Deutsch" gelobt wurde oder von einem Polizisten in schwarzer Uniform im Zug-Abteil, dessen Handy-Klingelton ausgerechnet "Spiel mir das Lied vom Tod" war. Der 38-Jährige hat nicht nur einen Blick für den alltäglichen gesellschaftlichen Irrsinn. Er versteht es auch, eben diesen kurzweilig zu präsentieren. Literatur darf auch unterhaltsam sein, ohne gleich als profan gelten zu müssen, lautet sein Credo. In "Auf der anderen Seite", dem neuen Film seines Freundes Fatih Akin, wird am Ende explizit dazu aufgefordert, Özdogans aktuellen Roman "Die Tochter des Schmieds" zu lesen. "Vielleicht verkaufe ich dadurch 250 Bücher mehr", meinte Özdogan, der Literaturbetrieb und Marketing ansonsten als notwendige Übel bezeichnete. Befreien kann er sich auch davon nicht. Da helfen weder unkonventionelle Lesungen, noch Yoga. Aber eine gewisse Distanz dazu möchte er wohl gewahrt wissen. Wo andere sich bereits im Olymp des Pop-Literatenhimmels wähnen, da bleibt Özdogan lieber am Boden und gibt Yoga-Seminare. Lieber die Seele abheben lassen als das Ego! Oder wie Stefan es in "Lammbock" formuliert: "Man sollte immer ein gewisses Understatement wahren." Das könnte auch ein Credo von Özdogan sein. | ||
Ihr Kommentar |
© 2007 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg