Text von Dienstag, 27. November 2007
Oh, Fortuna: Zelik las im TTZ über die ETA | ||
Marburg * (jnl)
Brückenbauer in die baskische Literatur und Lebenswelt gibt es wenige. Einer davon ist der Berliner Schriftsteller Raul Zelik. Der 39-Jährige stellte am Montag (26. November) auf Einladung der Kulturinitiative Strömungen im Technologie- und Tagungszentrum (TTZ) seinen neuen Roman "Der bewaffnete Freund" vor. Zelik ist bekannt als Autor von acht Romanen und Kurzgeschichts-Bänden. Seine Themen sind ablesbar an Buchtiteln wie "Grenzgängerbeatz" und "Berliner Verhältnisse". Das letztgenannte kam 2005 auf die Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis. Gut die Hälfte seiner Bücher befasst sich mit Geschichten aus der spanischsprachigen Welt. Die Literatur der deutschen Gegenwart ist nicht allzu reich an solchen mehrsprachigen Grenzgängern, die es wie Zelik wirkungsvoll verstehen, fremde Sichtweisen, Standpunkte und Sprachen zu vermitteln, lobte ihn 2007 Tobias Döring in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Der schlanke, mittelgroße Mann wirkt angenehm uneitel und kompetent. Außer dem eigenen Roman hat er seine zur Frankfurter Buchmesse 2007 neu erschienene Übersetzung aus dem Baskischen mitgebracht. Es handelt sich um "Der gefrorene Mann" von Joseba Sarrionandia. Der "Road-Movie"-Roman "Der bewaffnete Freund" besticht durch kurze Sätze, handlungsstarken Aufbau und gut getroffene Sprachbilder. Dem filmischen Charakter des epischen Spannungsromans merkt man an, dass Zelik das Schreiben von Drehbüchern und Theaterbearbeitungen beherrscht. Der Roman schildert das ungeplante Zusammentreffen eines deutschen Wissenschaftlers mit einem alten Freund aus Lateinamerika. Nach dem wird in Spanien als Führungsgestalt der baskischen Eta-Terroristen gefahndet. Er wird darum gebeten, diesem Freund als Chauffeur auf einer Fahrt durch das Feindesland Spanien zu dienen. Sein Schwanken zwischen Abenteuerlust und Fluchtreflexen angesichts des brisanten Antrags ist lebensnah modelliert. Schließlich ringt er sich doch dazu durch. In eindringlichen Szenen darf der Leser daran teilhaben, was es bedeuten mag, als gejagter Untergrundkämpfer immerzu "auf Messers Spitze" zu balancieren. Die einfachsten Alltagshandlungen wie das Anfahren eines Rastplatzes oder die Zimmersuche geraten zum "Höllentrip" durch die Angst vor der Entdeckung. Im Untergrund zu sein erweist sich als eine Art des Gefangenseins in fortdauernd immer neu aufflammender Furcht. Die Romanfigur des fiktiven Terroristen Zubieta ist dem realen Fall des Eta-Anführers Mikel Albizu nachempfunden, der 2004 in Südfrankreich verhaftet wurde. In vielen Details wird auch angespielt auf das Werk des baskischen Erzählers Joseba Sarrionandia an, der nach einer spektakulären Gefängnisflucht seit mehr als zwei Jahrzehnten im Untergrund lebt. Das 2001 mit dem Preis der spanischen Literaturkritik ausgezeichnete Buch hat Zelik gemeinsam mit der im Baskenland lebenden Petra Elser ins Deutsche übersetzt. Das Thema dieses Buches sind jene Hunderte an Untergetauchten aus der baskischen Separatismus-Bewegung. Am Beispiel eines in Nicaragua abgetauchten Eta-Mannes schildert er dessen Erstarren in Depression angesichts einer seit Jahrzehnten gleichbleibend hoffnungslosen Situation. Er wirkt auf seine Umgebung teilnahmslos, als sei er eingefroren. In der Fragerunde zeigte sich Zelik als ebenso sachkundiger wie leidenschaftlicher Kenner der spanisch-baskischen Verhältnisse. Selbstverständlich distanzierte er sich von den Bomben und Mordanschlägen der Eta. Zugleich warb er bei dem knapp 30-köpfigen Publikum darum, genauer hinzuschauen. Zelik hat persönlich viele Sommerurlaube im Baskenland zugebracht und dabei die Menschen und Mentalitäten kennengelernt. Er klagte darüber, dass nur sehr wenige Medien ihm gestatteten, einen differenzierten Blick hinter die Kulissen des Baskenlands und des Konflikts zu publizieren. | ||
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