Text von Donnerstag, 22. Februar 2007
Übermittelt: Staatsanwalt erbettelt Strafantrag | ||
Marburg * (ule/pm)
Haben die Marburger Staatsanwälte nicht genug zu tun? Diese Frage stellt die Humanistische Union (HU) dem Leitenden Oberstaatsanwalt Arndt Peter Köppen. Irritiert zeigte sich der HU-Ortsverband Marburg am Donnerstag (22. Februar) über den Brief eines Marburger Staatsanwalts, worin ein Bürger aufgefordert wurde, Strafantrag gegen den Amöneburger Physiker Dr. Ulrich Brosa zu stellen. Der Staatsanwaltschaft sei bekannt geworden, dass Brosa auf seiner Internetseite Teile der Akte eines Ermittlungsverfahrens gegen den Angeschriebenen veröffentlicht hatte. Das sei eine Straftat nach dem Bundesdatenschutzgesetz, die allerdings nur auf ausdrücklichen Strafantrag des Betroffenen hin verfolgt werden könne. Dieser Antrag müsste spätestens binnen drei Monaten nach Zugang dieses Schreibens gestellt werden, hieß es in dem Schreiben. In diesem Brief sieht die HU einen Versuch, sich die Rechtfertigung für eine ungerechtfertigte Strafverfolgung des Amöneburger Physikers zu konstruieren. Der Angeschriebene hat dem Staatsanwalt diesen "Gefallen" jedoch nicht getan: Er sandte das Schreiben an Brosa. Angesichts der Bestellung des für eine Strafverfolgung notwendigen Antrags durch einen Staatsanwalt fordert der HU-Ortsverband Marburg den Leitenden Oberstaatsanwalt Köppen auf, seine Untergebenen auf ihre rechtlichen Pflichten hinzuweisen und derartige Aktionen künftig zu unterbinden. Das Vorgehen des Marburger Staatsanwalts erinnert die HU frappierend an den Fall des Marburger Metzgermeisters Franz Becker, der im Frühjahr 2003 Plakate mit kritischen Äußerungen zur Kriegs-Politik des US-Präsidenten George W. Bush vor seinem Geschäft in der Weidenhäuser Straße aufgestellt hatte. Damals hatte die Staatsanwaltschaft Marburg den Metzgermeister selbst dann noch verfolgt, als klar war, dass der dazu notwendige Antrag nicht erstattet werden würde. Das gesamte Stadtparlament hatte sich seinerzeit einhellig für Beckers Recht auf Freie Meinungsäußerung und gegen die Strafverfolgung ausgesprochen. An diesen Fall fühlt sich die HU nun wieder erinnert. Sie betrachtet die Festlegung, dass bestimmte Straftatbestände nur auf Antrag hin verfolgt werden dürfen als gewollte Einengung der Handlungsspielräume der Staatsanwälte durch den Gesetzgeber. Eine gezielte Einholung von Strafanträgen hält sie deswegen für eine Kompetenz-Überschreitung. Hat die Staatsanwaltschaft Marburg nicht genug Wichtiges zu tun ? Ist nicht ein Antragsdelikt gerade deswegen nur auf Antrag zu verfolgen, um die Staatsanwaltschaft von unnötiger Arbeit zu entlasten, fragt die HU. Ist nicht ein Antragsdelikt gerade deswegen nur auf Antrag zu verfolgen, weil der Antrag als Ausdruck einer spürbaren negativen Wirkung der Tat auf den Betroffenen zu betrachten ist? Ist nicht die Frist der Verfolgung gerade deswegen auf drei Monate begrenzt, um eine Flut unnötiger Verfahren zu verhindern? Der HU-Ortsverband Marburg fragt außerdem: Verfolgt die Staatsanwaltschaft Marburg gezielt und am Rande der Legalität einen ihr missliebigen Kritiker? | ||
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