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Text von Montag, 15. Oktober 2007

> p o l i t i k<
  
 Unliebsame Störung: Neonazi-Gesänge in der Oberstadt 
 Marburg * (jnl)
Unsanft aus dem Schlaf gerissen wurden die Anwohner der Straße "Hirschberg" am Montag (15. Oktober) um 1.30 Uhr. Ein lautstark "Ole, ole, ole ole" grölender Trupp Jungmänner hatte sich vor der Gaststätte "Bistro Caveau" aufgestellt und probte, wieviel Wiederholungen die Sänger durchhalten könnten.
Zum Leidwesen der um den Nachtschlaf gebrachten Anwohner schafften sie locker 13 bis 15 Minuten durchgängig. Denn es war beileibe keine kleine Gruppe von zwei bis drei besoffenen Gestalten. Vielmehr handelte es sich um insgesamt zwanzig Individuen.
Allesamt waren sie, soweit man das vom Fenster der Wohnung aus sehen konnte, im Alter Anfang Zwanzig, angetrunken und absolut ohne jeden Sinn für Rücksichtnahme gegenüber Oberstadt-Bewohnern. Unter ihnen waren vier Mädchen, die sich zwar nicht an den Grölgesängen beteiligten, aber auch deutlich erkennbar keinen Versuch unternahmen, die gemeinschaftliche nächtliche Ruhestörung durch eigene Mahnungen zur Vernunft zu mildern oder abzustellen.
Was war auffällig an den beteiligten Personen? Sie blieben nicht wie gewöhnliche Besoffene auf dem Weg ins eigne Bett bei "Ole" -Skandieren und anderen Fußballparolen. Mehrmals wiederholt kam aus der Gruppe ein besonders irritierender Gesang: "Schwarz-Weiß-Rot unsere Fahne ist". Das entspräche der sogenannten Reichskriegsflagge der Nationalsozialisten und ihrer aktuellen Sympathisanten.
Von Springerstiefeln oder Bomberjacken, wie sie das herkömmliche Klischee den Neonazis zuschreibt, war zumindest aus der Entfernung von oben nichts zu sehen. Die Burschen trugen Turnschuhe, Jeans und gewöhnliche Jacken oder Kapuzen-Pullis. Es waren keine speziellen Hiphopper-Kennzeichen festzustellen. Falls es Anfangssemester der Philipps-Universität waren, so war eindeutig ungewöhnlich, dass soweit erkennbar nicht einer unter ihnen die Haare länger trug. Ein paar von ihnen sprachen darüber, die Gruppe solle in die Kneipe "Bolschoi" in der Ketzerbach weiterziehen. Sollte das ihre "Stammkneipe" sein?
Die Jünglinge im kraftvollsten Alter bestärkten sich gegenseitig, die enorme Lärmentwicklung ihrer offenbar keineswegs beiläufigen, sondern absichtsvollen Gesänge möglichst nicht leiser werden zu lassen. Welche Personen damit gezielt geärgert werden sollten, war nicht ohne Weiteres auszumachen. Man könnte allenfalls aus dem Indiz des stationären Aufenthalts vor dem Bistro-Gebäude Rückschlüsse ziehen. Sodass entweder der Wirt oder andere Hausbewohner gemeint gewesen sein könnten. Hatte der Hausherr der Kneipe die Gruppe wegen irgendwelcher Vorkommnisse oder des Feierabends halber zu später Stunde rausgesetzt?
Der Anlass für das dreiste, ruhestörende Verhalten der Jungerwachsenen-Gruppe ist bis dato unbekannt. Das vandalische Benehmen hielt eine Viertelstunde an, exakt bis das von mehreren erzürnten Anwohnern herbeigerufene Einsatzfahrzeug der Polizei vor Ort eintraf. Bei Sichtbarwerden des Polizeiautos nahmen der größte Teil der Gruppe Reißaus Richtung Marktplatz oder Schuhmarkt. Verblüffenderweise konnte man vom Fenster aus sehen, dass drei Männer von den 20 Personen sich den Polizisten stellten und offenkundig Verhandlungen mit ihnen führten. Was dort wohl besprochen worden sein mag?
Immerhin war die eklatante Ruhestörung mit dem Auftauchen der Polizei beendet. Wer am nächsten Morgen früh aufzustehen hatte, fackelte nicht lange und legte sich erneut schlafen.
 
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