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Text von Dienstag, 30. Januar 2007

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 Weg gefunden: Therapie-Resistenz bei Krebs 
 Marburg * (fjh/pm)
Resistenzen gegen Therapeutika sind ein häufiges Phänomen. Noch allerdings liegen ihre Ursachen oft im Dunkeln. Für bestimmte Fälle, in denen Krebs-Patienten eine Resistenz gegenüber der Therapie mit so genannten Spindelgiften entwickeln, verzeichnen Forscher der Philipps-Universität nun allerdings erhebliche Erfolge.
"Wir haben sowohl die Ursache der Resistenz erforscht als auch eine mögliche Lösung für dieses Problem gefunden", berichtete Dr. Holger Bastians. Der Privatdozentleitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung (IMT) der PhilippsUniversität.
Ein für die Zellteilung wichtiger Signalweg, der sogenannte "Spindelcheckpoint-Signalweg", ist in Tumorzellen im Vergleich zu normalen Zellen häufig beeinträchtigt. Bastians Arbeitsgruppe konnte in den letzten Jahren unter anderem zeigen, dass dieser Checkpoint mitverantwortlich dafür ist, dass die verabreichten Chemo-Therapeutika auch tatsächlich wirken. Ist er nicht vollständig aktiv, spricht der Patient nicht auf die Therapie an.
Der Spindelcheckpoint-Signalweg spielt eine zentrale Rolle bei der Zellteilung. Bei diesem Prozess ist ein "Spindel" genannter Molekül-Komplex dafür verantwortlich, dass die Chromosomen korrekt aufgereiht und aufgeteilt werden. Dieser ist Angriffspunkt für viele Therapien: Spindelgifte können verhindern, dass sich Tumorzellen weiter vermehren. Solche Therapeutika - darunter das Taxol oder verschiedene Vinca-Alkaloide, wie sie seit langem in der Klinik eingesetzt werden - zerstören die Spindel und führen so zu Fehlern bei der Zellteilung. Solche Fehler wiederum erkennt die Zelle und aktiviert daraufhin den Spindelcheckpoint-Signalweg.
"Wir haben nun in den vergangenen Jahren herausgefunden, dass es genau dieser Signalweg ist, der schließlich den Befehl dazu gibt,
dass sich chemotherapeutisch behandelte Zellen selbst umbringen", berichtete Bastians. Damit sei auch klar, warum viele Patienten Resistenzen entwickeln: "Ist der Checkpoint beeinträchtigt, was in Tumorzellen häufig der Fall ist, sterben diese auch nicht ab."
Schlimmer noch: Die Spindelgifte greifen dann vor allem gesunde Zellen mit funktionierendem Checkpoint an. Die Tumorzellen haben sogar einen Selektionsvorteil.
In Versuchen mit Mäusen kann man mittlerweile die Situation in einer Krebszelle reproduzieren: Indem man ein bestimmtes Checkpoint-Gen zu fünfzig Prozent ausschaltet, lässt sich der Checkpoint abschwächen. "Abschwächung" bedeutet, dass sich die in einer Gewebe-Probe messbare Aktivität der Checkpoints verringert. Tumorzellen in diesen Mäusen sollten also eine Resistenz gegenüber Spindelgiften aufweisen.
Noch wichtiger war allerdings ein weitergehender Versuch: Das komplette Abschalten des Checkpoint-Gens bewirkte, dass die Aktivität des Checkpoints gänzlich zurückging und in der Folge - überraschenderweise - die Zellen abstarben. Zum Zelltod kommt es also auch, so hat sich gezeigt, wenn der Checkpoint vollständig inaktiv ist.
Aus all diesen Erkenntnissen hat Bastians einen wichtigen Schluss gezogen: "Zum einen können wir, indem wir nicht den Umweg über die Spindel machen, sondern direkt den Checkpoint angreifen, unmittelbar den Selbstmord der Zellen auslösen. Und zum anderen können wir davon ausgehen, dass von diesem Verfahren vor allem Tumorzellen betroffen sind. Denn Krebszellen, in denen der Checkpoint ohnehin schon abgeschwächt ist, werden auf pharmakologische Substanzen, die ihn zusätzlich abschwächen, deutlich stärker reagieren als gesunde Zellen, in denen der Checkpoint noch zu hundert Prozent aktiv ist."
Einen "potenten pharmakologischen Inhibitor" hat Bastians nach eigenen Angaben bereits identifiziert. Für klinische Untersuchungen ist es zwar noch zu früh, mit Hilfe von Gewebekulturen aber konnte Bastians schon nachweisen, dass sein neuer Ansatz Erfolg verspricht.
Bereits im Herbst 2006 hatte Bastians im Rahmen der TransMIT GmbH - einer Gesellschaft der mittelhessischen Hochschulen, die einen privatwirtschaftlichen Rahmen für Industrie-Kooperationen wissenschaftlicher Hochschulangehöriger zur Verfügung stellt - den "TransMIT-Projektbereich für Zellzyklus assoziierte Zielstrukturen in der Chemotherapie" gegründet. Nun hat der Marburger Molekularbiologe auch einen Kooperationspartner für seine Forschungsvorhaben gefunden: Die Altana Pharma AG unterstützt die Arbeiten seines Teams in Hinblick auf die mögliche Modulation der Spindelcheckpoint-Resistenz gegenüber einer Reihe moderner antimitotischer Tumortherapeutika.
 
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