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Text von Dienstag, 12. März 2002


Undurchschaubar: Iphigenie Köngigskind

Marburg * (sfb)
Um jemanden etwas beizubringen, holt man ihn bekanntlich dort ab, wo er ist. Im Tasch warteten zwei bis drei Schulklassen, als das "Theaterhaus Frankfurt" am Dienstagvormittag (12.März) im Rahmen der 7. Hessischen Kinder- und Jugendtheaterwoche mit "Iphigenie Königskind" gastierte. Wo aber waren die Kinder wirklich, dass der Funke des modern inszenierten Dramenstoffes von Pauline Mol nicht so recht überspringen wollte ?
Dabei steckte soviel Mühe in der kindgerechten Darbietung von Inez Derksen. Gleich zu Beginn las das Ensemble mit verteilten Rollen aus der antiken Vorlage"Ephigenie auf Taulis" von Euripides. Dann warfen die Akteure die gelben Reclam-Heftchen kurzerhand weg. Eine verständliche Inhaltsangabe der bevorstehenden Handlung folgte.
Jede Person stellte sich einzeln vor: Ein Mann in schickem Anzug, braunen, aber gepflegten Springerstiefeln, (Günter Henne) sagte von sich, dass er den König Agamemnon mimt. Dieser müsse Iphigenie (Susanne Schyns), seine quirlige Tochter im grünen Kleidchen, der Göttin Artemis opfern. Erst dann bekommt er was er will: Wind, der seine Schiffe nach Troja bringt. Dorthin ist nämlich die Frau seines Bruders, Menelaos (Michael Meyer) entführt worden. Menelaos hat Agamenmnon beauftragt, seine Frau zurückzuholen, weil er "schmusen will".
Im Vordergrund des eineinhalb stündigen Stücks steht der Konflikt, ob Iphigenie nun zu Kriegszwecken geopfert werden oder dem liebenden Vater sowie ihrer Mutter Klytemnästra (Uta Nawrath) erhaltenden bleiben soll. Ein ständiges Hin- und Her zwischen den Figuren bricht aus. Sie sind in sich gespalten, belügen sich selbst und andere. Wohltuend entwaffnend war dagegen das Kind (Stefanie B. Fritz), das immer wieder forderte:"Streichel mich!"
"Im Dienst für das Große und Ganze" beendet Ephigenie den Streit und opfert sich freiwillig der Göttin Artemis. Susanne Schyns, die anfangs in symbiotischer Einheit mit dem Kind harmoniert, vollzieht eine natürliche Metamorphose. Von einem Mädchen, das spontan sagt, was es denkt, mausert sie sich zu einer erwachsenen Frau, die weiß, was sie will. Der kurzzeitige Konflikt zwischen der reif gewordenen Frau und dem Kind löst sich schließlich in Wohlgefallen auf. In den letzten Minuten zeigt Susanne Schyns eindrucksvoll, dass verantwortungsbewußtes Handeln durchaus kindlich spontan und wahrhaftig sein kann.
Die Rolle kontrastiert wohltuend mit der innerlich zerrissenen Figur des nach außen unerschütterlichen Agamemnon. Sehr subtil ließen auch die übrigen Schauspieler Gefühlsregungen durch ihre scheinbar unverrückbaren Masken schimmern.
Weder die schauspielerischen Leistungen, noch die message, sich kindliche Unverfälschtheit zu bewahren, konnten die Schüler von den Stühlen reißen, auf denen sie sich allenfalls räkelten. Schwierige und vor allem unbekannte Wörter wie Klytemnästra oder Agamennon und ein komplizierter Handlungsstrang schienen zu überfordern.
Eine unsichtbare Wand lag zwischen Publikum und Bühnengeschehen. Bei effekthaschenden Szenen war sie indes leicht durchlöchert: Als sich Agamemnon und die attraktive Klytemnästra auf englisch fetzten, als das Röckchen der schaukelnden Iphigenie hochwehte oder dieselbe auf einem weißbetuchten Altar ihr Leben lassen wollte, war das Publikum sichtlich interessiert.
Schauspieler und Inszenierung waren hervorragend, aber die literarische Bearbeitung konnte den antiken Stoff nicht anschaulich genug vermitteln. Wohl deswegen war der Applaus recht verhalten. Schade!


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