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Text von Freitag, 15. März 2002


Droh-gen: HIGHlife ohne Rückenwind

Marburg * (sfb)
"Ich bin am Ende - meines joints, meiner Spritze, ..." heißt es in einem Text einer Schülerin. Mit "HIGHlife" feierte die elfköpfige Theatergruppe "Rückenwind" am Donnerstagabend (14. März) im Theater am Schwanhof (Tasch) Premiere. Unter der Regie von Karin Winkelsträter standen nun auch Jugendliche selbst im Rahmen der 7. Hessischen Kinder- und Jugendtheaterwoche auf der Bühne.
Ein junges Mädel haucht mit konsterniertem Blick das bedeutungsschwere Wort "Sehn-Sucht" ins Mikro. Mit dicken Kajalstrichen unter den Augen und trendigen Szeneklamotten hopsen kurz darauf engagierte Teens zwischen 14 und 18 auf die Bretter, sichtlich bemüht, ihr Bestes zu geben. Mit ausdrucksstarken Gesten panto-mimen sie die geläufigen Suchtvarianten von Bulimie und Nikotin über Spielsucht bis hin zu Sexsucht, halt alles, was das Herz so begehrt. Auch sonst fehlt es an nichts: ein Klo, in das man kotzen kann, ein mit Bierkästen ausstaffierter Treffpunkt vor einer mit Graffities beschmierten Stellwand. Und immer wieder muß das Mikrofon herhalten, mal für den Rap "Wieder mal einen Tag verschenkt", oder für einen gelesenen Text, der über Phasen des Entzugs informiert.. Wie das aussieht, präsentiert eine Schülerin, die sich unter ekstatischen Zuckungen am Boden wälzt. Als sich dann die ganze bagage bei dämonischer Musikeinlage schutzsuchend an die Stellwände drückt, wird klar. Dies muß ein Horrortripp sein. Allein der Anblick läßt den dringenden Wunsch entstehen, dass es doch bitte bald ein Ende habe. Im Kontrast dazu breiten zugedröhnte kids ihre Schwingen zum Gleitflug aus.
Nahezu zwei Stunden präsentierte "Rückenwind" locker aneinandergereihte Alltagsszenen. In Freundschaften, zwischen Liebenden oder in Eltern-Kind -Beziehungen wird die Drogenproblematik lang und schmutzig aufgerollt. Eine deprimierende "Alles-Scheiße-Mentalität" ist der rote Faden, der die Darbietungen durchzieht. Beziehungen, die Zukunft, das Leben schlechthin sind mit Drogen im Gepäck von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Selbst dann, wenn der Entzug geschafft ist, stellt sich nach einer anfangs optimistischen Phase eine innere Leere oder gar Depressionen ein. Kommt der ehemals Abhängige nach einem Klinikaufenthalt in sein angestammtes Milieu zurück, fangt das Elend von vorne an. Der Rückfall in unserer leistungsorientierten Gesellschaft ist nun einmal vorprogrammiert, die überdies fragwürdige Werte einfordert. Träumen statt planen, perspektivlos klagen und resignieren sind der Grundtenor von HIGHhlife. Viele seiner Sätze sind abgedroschene Phrasen, Klischees, die - wohl - bewußt inszeniert sind.
Konstruktive Ansätze zur Lösung oder Vorbeugung der Sucht- und Drogenproblematik stehen nicht auf dem Spielplan. Es ist halt alles Scheiße oder "Im Westen nichts Neues".


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